Wohin mich mein Schreiben schon geführt hat
Dieser Artikel ist Teil der Blogparade, welche die wunderbare Kerstin Salvador ins Leben gerufen hat.
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Von stickigen Abstellkammern zu den Bällebädern meiner Kindheit
Ich wollte diesen Artikel eigentlich nicht schreiben. Wohin mich mein Schreiben geführt hat? Na, nirgendwohin. Ich kann weder mit grandiosen Veröffentlichungen protzen noch mit exotischen Schreiborten, mit Stipendienaufenthalten in luxuriösen Villen, und auf die Bühnen und Podien dieser Welt hat mich mein Schreiben schon gar nicht geführt.
Habe ich also etwas zu sagen?
Und da hat sich etwas aufgedrängt. Eine leise Erkenntnis, die schließlich lauter wurde. Ja, so ist das bei mir: Mein Schreiben hat mich vor allem an innere Orte geführt. Und je ernsthafter ich mich dem Schreiben widme, desto tiefer und aufregender werden diese inneren Orte.
Die erstaunliche Weite der inneren Welt
Es erstaunt mich immer noch, wie groß die innere Welt ist, die wir uns schreibend erschließen können. Der Platz in unserem Kopf, der für das Bewusstsein und für den Intellekt reserviert ist, ist doch sehr begrenzt, ein enges Kämmerchen, das sich für sehr gewitzt und weltoffen hält. Dabei sind seine Fenster immer geschlossen und die Luft darin ist, naja.
Doch dann habe ich eine Art zu schreiben entdeckt, die nichts mit meinem Intellekt zu tun hat. Und dieses Schreiben reißt in mir nicht nur alle Fenster auf, sondern bläst auch einen so kräftigen Windstoß ein, dass alle in mir bis dahin wohlgeordneten Papiere komplett durcheinanderwirbeln.
Was ist das für eine Art zu schreiben, die sowas kann, sowas tut?
Alles auf Anfang: Mein erster Roman
Alles begann mit einem Roman. Meinem. Meinem ersten. Ich trug die Idee für meinen Roman schon lange mit mir rum und Anfang 2025 habe ich beschlossen, damit endlich ernst zu machen. Die Idee war reif, ich spürte es, sie wollte endlich gepflückt werden.
Ich griff nach der Frucht und dachte, ich hätte schon eine ganze Geschichte in der Hand. Aber es war nur eine Idee. Eine kleine Idee, ein Ausgangspunkt. Ich begriff, dass die ganze Arbeit noch vor mir lag. Ich hatte jahrelang über mein Buch nachgedacht, aber ich hatte mich nicht hingesetzt und geschrieben. Ich habe gedacht, dass das Buch in Gedanken reift und wenn es fertig ist, brauche ich es nur noch runterzuschreiben.
Aber wie ich so an meinem Schreibtisch saß, kam der Schreibfluss einfach nicht in Gang. Auch nicht, als ich mein Macbook einpackte und damit in den Spreewald fuhr. All das Grün, all die Natur und die frische Luft – auch sie konnten mein Schreiben nicht beflügeln.
Mir ging auf: Obwohl ich so lange darüber nachgedacht hatte, kannte ich mein Buch noch gar nicht. Was für eine schmerzhafte Erkenntnis. Doch auf mich wartete auch eine äußerst belebende Erkenntnis, eine, die tatsächlich alles ändern sollte. Meine gesamte Einstellung zum Schreiben.
Mein Plan? Kein Plan!
Ich war immer davon ausgegangen, dass Schreiben etwas Planvolles ist. Man überlegt sich die wichtigsten Punkte, macht eine Gliederung, eine Struktur und dann füllt man diese Struktur mit Worten. Egal ob man einen Blogartikel, eine wissenschaftliche Arbeit oder einen Roman schreibt.
Und ja, diese Herangehensweise funktioniert. Aber was für Texte entstehen auf diese Weise? Texte, die sich nur entlang der ausgetretenen Pfade meines Bewusstseins bewegen. Die das schon Bekannte und Altbewährte bedienen. Innovativ ist das nicht. Und sonderlich interessant auch nicht. Im schlimmsten Fall steril und leblos. Irgendwie ausgelutscht, tausendfach gelesen.
Ja, ich hätte für meinen Roman eine Struktur erdenken können, zwei, drei Personen auf dem Reißbrett skizzieren, ihre Hobbys, ihre Jobs und ihren Social Background auf eine Pinnwand heften können. Und mir dann einen Konflikt, ein Problem, eine Zuspitzung, eine Verzögerung und eine Lösung einfallen lassen können. Einen exotischen Handlungsort entwerfen und eine neurotische, aber lustige Nebenfigur erfinden. Stattdessen habe ich etwas ganz anderes gemacht.
Kopfsprung ins Chaos
Ich habe mich für das Chaos entschieden, für Anarchie. Ich habe mich schreibend auf unbekanntes Terrain begeben. In die unerforschten Tiefen meines Seins, jene, die ich eben nicht präsent habe, jene, in die abzutauchen ich lieber vermeide. Dorthin, wo die tiefen Ängste und Sehnsüchte schlummern, die längst verdrängten Erinnerungen, und dorthin, wo mein inneres Kind immer noch spielt. Kopfsprung in das grün-rot-gelbe Bällebad meines kindlichen Ichs mit den Abermillionen verdrehten Einfällen und der grenzenlosen Spielfreude.
Wie ich dorthin gelangt bin?
Ich habe angefangen, einfach draufloszuschreiben. Word-Dokument öffnen, Titel: Das Buch. Und los. Ich habe bei einer beliebigen Situation angefangen, die mir einfiel. Ich habe beschrieben, was ich sehe. Einen Raum, eine bestimmte Stimmung, einen Ausblick aus einem Zimmer.
Dann fing ich an, eine Figur zu sehen. Eine Frau. Oh, die wohnt hier. Ich begann, die Frau in ihrer Wohnung zu sehen. Sie lief durch das Wohnzimmer, sah aus dem Fenster. Später sah ich sie am helllichten Tag im Schlafzimmer auf ihrem Bett liegen. Ich schrieb das alles auf. Was tat sie da? Auf dem perfekt bezogenen Bett, auf all diese bunten geblümten Kissen gelehnt. Hatte sie gelesen? Hing sie ihren Gedanken nach? Sie sah traurig aus. Und warum arbeitete sie nicht? Draußen schien die Sonne, ein warmer Frühlingstag und unten vor dem Fenster liefen die Menschen vorbei mit ihren Einkaufstüten. Dann betrat eine neue Figur den Raum, und mir wurde kalt. Richtig fröstelig. Was passiert jetzt? Ich schrieb und schrieb und schrieb.
Schreiben, schreiben, schreiben. Aber next level.
Diese Erfahrung hat alles verändert. Alles. Ich schreibe immer noch an diesem meinem ersten Buch und lasse mich von meinem Schreiben immer tiefer in die Welt meiner Figuren hineinziehen. Was sie mir alles schon über sich gezeigt haben! Du wirst es eines Tages lesen können. Und glaube mir, DAS alles hätte ich mir nicht ausdenken können, mein Schreiben hat mich dahin geführt.
Und das Buch, das auf diese Weise gerade entsteht, da bin ich mir sicher, wird mich in Zukunft an neue Orte führen, auf Bühnen und Podien, an exotische Orte und zu vielen wundervollen Begegnungen. Denn das, was hier entsteht, ist größer als mein Denken und tiefer als mein Intellekt. Es ist eine Geschichte, die atmet, eigenwillig und anarchisch, und ich folge ihr, wohin sie mich auch führt.
❤️
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